Prof. Dr. Martin Bertau

Lebenslauf

Prof. Dr. Martin Bertau promovierte 1997 an der Universität Freiburg/Br. und war danach bei der Rohner AG (Dynamit-Nobel-Gruppe) in Basel tätig. Im Jahr 2000 wechselte er an die TU Dresden, wo er sich 2005 habilitierte. Seit 2006 leitet er das Institut für Technische Chemie der TU Bergakademie Freiberg. Er ist Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften und wurde u.a mit dem Rohstoffeffizienzpreis des Bundeswirtschaftsministers ausgezeichnet. Die von ihm entwickelten ganzheitlichen Prozesse für die Rohstoffgewinnung wurden alle in die industrielle Anwendung überführt.

Das COOL-Verfahren: Lithiumgewinnung aus primären und sekundären Ressourcen

Angesichts der steigenden Nachfrage nach Lithium und der ungleichen Verteilung der Lithiumvorkommen weltweit rücken lokale Vorkommen wie die Zinnwaldit-Lagerstätte in Zinnwald/Cínovec zunehmend in den Fokus. Das Direktkarbonisierungsverfahren mit überkritischem CO2 stellt aufgrund des geringen Verbrauchs an Chemikalien sowie der hohen Selektivität für Lithium einen vielversprechenden Ansatz für eine technische Umsetzung dar. Neben dem Primärerz (Zinnwaldit) eignet sich das Verfahren auch zur Gewinnung von Lithiumcarbonat aus der schwarzen Masse, der lithiumhaltigen Fraktion aus dem Recycling von Lithium-Ionen-Batterien.


Das COOL-Verfahren (CO2-Laugung) ist ein Lehrbuchbeispiel dafür, wie eine zukünftige Rohstoffaufbereitung rohstoff- und energieeffizient mit einem geringen CO2-Fußabdruck realisiert werden kann. In Abkehr von der bisherigen Praxis ist das COOL-Verfahren als herkunftsunabhängiger chemischer Prozess konzipiert. Das heißt, das Produkt, Li2CO3, steht im Mittelpunkt, nicht der Rohstoff. Vielmehr sind die Industrieanlagen auf einen bestimmten Rohstoff mit bestimmten Eigenschaften ausgelegt. Es hängt von der Robustheit des Prozesses ab, ob die Spezifikationsgrenzen eng oder weit sind. Das in Freiberg entwickelte Konzept der Wertstoffchemie beinhaltet nicht nur einen robusten Prozess in Bezug auf den Rohstoff. Es zielt auch darauf ab, die Barrieren zwischen dem Primär- und dem Sekundärrohstoffgeschäft zu beseitigen.
Typischerweise versteht man unter Recycling die Rückgewinnung von Rohstoffen nach Gebrauch in hoher Qualität bei minimalem Energie- und Ressourcenverbrauch. Tatsächlich erzeugt der Sekundärrohstoffmarkt sekundäre Produktqualität, also Downcycling, mit den wenigen Ausnahmen von Edelmetallen und Kupfer. Obwohl der Markt unter mangelnder Spezifikationskonformität leidet, ist er als Gegenentwurf zur Bergbauindustrie gedacht, die in Europa auf harte Ablehnung stößt, während der Nachhaltigkeitsaspekt des Recyclings nicht unbedingt gegeben ist. Im Gegenteil: Die Primärrohstoffwirtschaft produziert Primärproduktqualität, die den Spezifikationen entspricht und bestehende Märkte bedient. Beide Industrien nehmen für sich in Anspruch, dass sie dazu beitragen, Importabhängigkeiten zu reduzieren, was nur dann zutrifft, wenn sie in ein und demselben Wirtschaftsraum, wie der EU, stattfinden.


Eine Lösung zur Überwindung dieser Hürden besteht darin, alle Rohstoffe, unabhängig davon, ob sie primärer oder sekundärer Natur sind, in einen einzigen Prozess einzubringen. Mit anderen Worten: Nach wenigen Vorbehandlungsschritten ist die Herkunft der Materialien nicht mehr erkennbar. Realisiert wurde dies im COOL-Verfahren, bei dem kieselsäurehaltige Erze nach einer thermischen Vorbehandlung mit wässrigem sc-CO2 gelaugt werden. Gleiches gilt für die schwarze Masse aus Lithium-Ionen-Batterien, die auf die gleiche Weise gelaugt wird. Obwohl nun beide Stoffströme gleichzeitig in der gleichen Prozesskette behandelt werden könnten, ist es wirtschaftlich vorteilhafter, sie nach dem Laugungsschritt zusammenzuführen und so die Rückgewinnung von Co, Ni und Mn aus der Restschwarzmasse zu ermöglichen. Die Rückstände der kieselsäurehaltigen Erze können zu alternativen Baumaterialien weiterverarbeitet werden, so dass Abfall in marktfähige Produkte und Kosten in Gewinn umgewandelt werden können.  
Zusammenfassend hat das COOL-Verfahren die Aussicht, beispielhaft für die Rohstoffindustrie im Allgemeinen und die Recyclingindustrie im Speziellen zu sein. Da aus technischen Gründen ein Downcycling nicht mehr möglich ist, bleibt nur die Qualität des Primärprodukts und macht damit den Weg frei für ein nachhaltigeres und wirtschaftlich profitableres Recycling im eigentlichen Sinne.