Von Darmstadt nach Princeton und zurück im Namen der Materialforschung

Interview /

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Dr. Sebastian Klemenz, Fraunhofer IWKS

Interview mit Dr. Sebastian Klemenz, Nachwuchswissenschaftler des Fraunhofer Attract-Förderprogramms am Fraunhofer IWKS

 

Herr Klemenz, Sie leiten seit Februar 2021 die Forschungsgruppe «green²ICT»  am Fraunhofer IWKS zum Thema nachhaltige Materialien für Informationstechnologien aus Sekundärrohstoffen. Darunter fallen Funktions-, aber auch neuartige Quantenmaterialien. Was kann man sich darunter vorstellen?

Unter Quantenmaterialien versteht man Materialien, die ganz besondere physikalische Eigenschaften aufweisen. Dies können elektronische Eigenschaften sein wie eine besonders gute Leitfähigkeit, oder aber auch Magnetismus. Viele dieser Materialien sind natürlich bereits bekannt, aber wie genau ihre besonderen Eigenschaften zustande kommen und wie man diese Effekte für verschiedene Anwendungen nutzen kann, ist noch nicht umfassend erforscht. Dazu kommt, dass immer wieder neue Materialien und -klassen hinzukommen.

 

Und wie kommt der Aspekt Nachhaltigkeit dazu?

Im Projekt «green²ICT» spielt Nachhaltigkeit tatsächlich eine große Rolle. Viele der oben genannten Quanten- bzw. Funktionsmaterialien sind essenziell für heutige und zukünftige High-Tech-Anwendungen: Magnete in Elektromotoren, Halbmetalle in der Informationstechnologie oder auch Katalysatoren für die Wasserstoffherstellung. Oft enthalten diese Materialien seltene und wertvolle Rohstoffe. Es geht also darum, diese Hochleistungsmaterialien im Kreislauf zu führen und zwar so, dass ihre besonderen Eigenschaften erhalten bleiben.

 

Wie gehen Sie da vor?

Wir starten mit einer neuen Sichtweise auf die Materialien und ihre Eigenschaften. Dabei analysieren wir nicht nur ihre Bestandteile, sondern auch welche Wechselwirkungen sie untereinander haben oder auch ihre Topologie. Dies ist einer der Grundgedanken der Quantenmaterialien, die erfasst, wie Materialien in ihrem Inneren aufgebaut sind. Wenn wir die Materialien besser verstehen, können wir aus alten Materialien neue Formen, ohne dabei ihre Funktion zu beeinträchtigen. Angewandt im Bereich Nachhaltigkeit bedeutet dies, dass wir z.B. aus alten Magneten neue herstellen, die genauso stark sind. Im Idealfall können wir dann aus den sogenannten Rezyklaten (also dem Altmaterial) auf effiziente Art und Weise neue Materialien für die Produktion in der Industrie herstellen. Bisher ist eine der großen Herausforderungen im Recycling, dass sich Materialien gerade im Bereich Hochtechnologie sehr schnell verändern: was vor 10 Jahren verbaut wurde, wird heute eventuell nicht mehr für neue Produkte verwendet, weil andere Materialien mit besseren Eigenschaften gefunden wurden. Und hier kommen wir ins Spiel: Durch ein gutes Verständnis der Zusammensetzung und Funktionsweise von Materialien wollen wir Rezyklate gewinnen, welche den Anforderungen neuer Materialien gerecht werden. Deshalb ist es auch wichtig zu wissen, wo die Reise hingeht. Quantenmaterialien werden ein wichtiger Teil zukünftiger Technologien sein.

 

Sie hatten Magnete erwähnt – wie könnte das konkret aussehen?

Bei Magneten ist die Mikrostruktur ganz entscheidend. Nur, wenn wir einen Weg finden, die Struktur genau nach unseren Vorstellungen im Recyclingprozess zu modellieren, erhalten wir ein gutes Rezyklat. Hier hat der Forschungsbereich Magnetwerkstoffe am Fraunhofer IWKS schon sehr gute Ergebnisse erzielt. Eine Herausforderung, die wir im Rahmen des Attract-Programms gemeinsam angehen möchten, ist die Formflexibilität der Rezyklate. So arbeiten wir daran, aus Altmagneten ein Pulver herzustellen, das mittels additiver Fertigung (3D-Druck) in jede gewünschte Form gebracht werden kann. Dies wäre ein erheblicher Vorteil für die Industrie.

                 

Klingt ganz einfach….

Ja, in der Theorie [lacht]. Wobei es auch hier schon erste positive Forschungsergebnisse gibt.

 

Fraunhofer fördert Ihre Forschungsarbeit im Rahmen des Attract-Programms für herausragende Nachwuchswissenschaftler. Tatsächlich waren Sie zuletzt an einer der renommiertesten Universitäten weltweit, in Princeton, tätig. Warum haben Sie sich entschieden, wieder in Deutschland zu forschen?

Das hat verschiedene Gründe. Ich hatte eine äußerst produktive und angenehme Zeit in Princeton, die ich nicht missen möchte. Für mich war es ein inspirierendes Arbeitsumfeld und die enge Verknüpfung von Physik und Chemie brachte mir das Thema Quantenmaterialien näher. Ich wusste aber von vorneherein, dass ich nur eine begrenze Zeit bleiben will, und bin danach gern in meine Heimatregion zurückgekommen. Hier jetzt eine eigene Gruppe aufbauen zu können und das mit einem Forschungsthema, das meiner Überzeugung entspricht, ist großartig.

 

Welche Überzeugung ist das?

Ich bin Festkörper- und Materialchemiker aus Leidenschaft. Der Zusammenhang von Struktur und Eigenschaft war stets der Leitgedanke in meinen Arbeiten an unterschiedlichen Materialklassen. Mich interessiert jedoch auch das große Ganze. Als Doktorand war ich Stipendiat der Darmstädter Exzellenz-Graduiertenschule Energy Science and Engineering. Die verschiedenen Aspekte, die in dieser Gruppe von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vereint wurden, reichten von detaillierten physikalischen Fragen einzelner Materialien bis hin zur technischen Umsetzung und zum weiten Feld der Nachhaltigkeitsbewertung. Dies hat mich sehr geprägt. Ich freue mich, mit dem Fraunhofer IWKS einen Ort gefunden zu haben, an dem ich an Projekten arbeiten kann, welche die Leistungsfähigkeit von Werkstoffen mit Nachhaltigkeit verbinden, indem wir ökologische, ökonomische und gesellschaftliche Aspekte in den Materialdesignprozess einbeziehen.

 

Herr Klemenz, vielen Dank für das Gespräch!

 

Das Gespräch führte Jennifer Oborny, Mitarbeiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Fraunhofer IWKS.

 

Vita Dr. Sebastian Klemenz:

Sebastian Klemenz studierte Chemie an der Technischen Universität Darmstadt und war Stipendiat der Darmstadt Graduate School of Excellence Energy Science and Engineering (GS ESE). Im Jahr 2017 schloss er seine Promotion als Dr. rer. nat. an der Technischen Universität Darmstadt ab. Nach seinem Abschluss arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe in Dresden sowie an der Princeton University (NJ, USA). Seit Februar 2021 ist er am Fraunhofer IWKS im Bereich Magnetwerkstoffe im Rahmen des Fraunhofer-Förderprogramms Attract tätig.